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FRISCH AUF!-Fangeschichten Ausgabe #7

Mit dem Zug nach Aalborg

Rückspiel EHF-Pokal Achtelfinale Aalborg AB Handbold – FA Göppingen am 19.02.2010

Am 24. November 2009 fand die Auslosung der Achtelfinalbegegnungen des EHF-Pokals 2009/10 statt. Vom Europapokalfieber längst infiziert, war doch ein Großteil unserer Gruppe seit der Rückkehr auf die internationale Bühne im Jahr 2005 bei fast allen EHF-Pokalspielen auswärts mit von der Partie, fieberten wir diesem Termin und der kommenden Herausforderung, sowohl sportlich als auch reisetechnisch, gespannt entgegen. Wie so oft wurde im Vorfeld wild spekuliert und der eine oder andere Reisewunsch machte die Runde.

Die Auslosung bescherte uns schließlich eine Reise ins knapp 1.200 km entfernte Aalborg im Norden von Dänemark, welches im Vorfeld zwar auch thematisiert wurde, aber nicht zuletzt wegen der sportlichen Herausforderung nicht ganz oben auf der Wunschliste stand. Unmittelbar nach der Auslosung wurden durch unsere mittlerweile etablierten und durchaus schon erfahrenen Reiseplaner Überlegungen in alle Richtungen (zu Lande, zu Wasser und in der Luft) angestellt. Das, am Tag nach der Auslosung, in der NWZ stehende Zitat „Immerhin halten sich die Reisestrapazen für Mannschaft wie Fans in Grenzen: Aalborg hat einen Flughafen.“, konnte dabei zumindest aus Fansicht nicht bestätigt werden. Das wäre dann aber auch zu einfach gewesen. Die folgende Spielterminierung auf Freitagabend 19 Uhr machte die Planung nicht unbedingt einfacher.

Kurz darauf machte unter anderem eine vom Verfasser zunächst als „Schnapsidee“ bezeichnete Email (WhatsApp war damals noch unbekannt) die Runde, in welcher eine gut 20-stündige Zugfahrt nach Aalborg vorgeschlagen wurde. Wohlgemerkt einfache Fahrtzeit, nur für die Hinfahrt! Wie so oft wurde aus Spaß langsam Ernst und es entwickelte sich relativ zügig aus unseren Reihen eine illustre „Zug-Gruppe“, welcher sich weitere Bekannte aus der FA-Fanszene anschlossen und die ernsthaftes Interesse an einer Zugfahrt nach Aalborg signalisierte. Von weiteren Reizen der mit 120.000 Einwohnern viertgrößten Stadt Dänemarks angesteckt (u.a. angeblich längste Theke Dänemarks), wurde das Vorhaben in die Tat umgesetzt.

Letztendlich fanden sich 20 positiv verrückte Zugfahrer zusammen, welche der in gut zweieinhalb Monaten anstehenden Europapokalreise entgegenfieberten. Diese trafen sich schließlich am Tag vor der Begegnung donnerstagabends in einer bekannten Lokalität in Göppingen und stimmten sich umgeben von Fangepäck langsam auf die bevorstehende Reise ein. Kurz vor 20 Uhr erfolgte die planmäßige Abfahrt am Bahnhof in Göppingen und nach weiteren Zustiegen war die Reisegruppe ab Plochingen komplett. Die Fahrt erfolgte zunächst bis Karlsruhe, wo ein planmäßiger, gut zweistündiger Aufenthalt anstand. Auch dieser wurde durch die Reiseleitung bereits im Vorfeld bestens organisiert. So wurde in unmittelbarer Nähe des Karlsruher Hauptbahnhofes eine Sportsbar aufgesucht und dort umgeben von Fangepäck eine kurzweilige Zeit mit der einen oder anderen Kaltschale beim Fußball-Europapokal verbracht. Zuvor wurden allerdings noch die anderen Gäste in der Sportsbar aufgeklärt, dass bis auf eine Ausnahme keine Fans vom SV Werder Bremen anwesend sind.

Gegen 23.30 Uhr ging es dann ab Karlsruhe mit dem Nachtzug nach Hamburg. Nach Beziehen des Schlafwagens fand man sich schnell im benachbarten Fahrradwaggon zusammen und widmete sich dem Reisegepäck von Reiner Z., welches aus einem Kasten Staufen Edel bestand. Beim ersten Halt im Mannheimer Hauptbahnhof erwartete uns ein planmäßiger, längerer Aufenthalt, auf welchen sich Einzelne schon im Vorfeld gefreut haben. Diesmal angenehmerweise ohne Zugwechsel. Der Fahrradwaggon war, inzwischen durch Banner entsprechend dekoriert, kurzerhand zum Aufenthaltsraum umfunktioniert worden und es entwickelte sich in kürzester Zeit eine kleine Party, zu welcher sich weitere Normalreisende gesellten und sogleich Entwicklungshilfe in Sachen „FRISCH AUF!“ erhielten. Da im Fahrradwaggon quasi fließender Schichtwechsel war, wurde dort bis in die frühen Morgenstunden durchgefeiert. Aufgrund des noch bevorstehenden Supports der Mannschaft am Abend gönnten sich jedoch alle die eine oder andere Stunde Schlaf im gemütlichen Schlafwagen. Manch einer hat es trotz allem in dieser Nacht angeblich übertrieben und sein Limit ausgereizt, was auch ohne Worte am Blick der Ehefrau beim Frühstück im Speisewagen schon vor dem „Guten Morgen“ für jeden ersichtlich war. Folge für den Betroffenen: Trockendock bis Aalborg!

Nach der morgendlichen Ankunft in Hamburg war ein kurzer Zwischensprint mit Fangepäck (unter anderem Schwenkfahnen und eine Trommel) im Hauptbahnhof erforderlich, um den direkten Umstieg der kompletten Reisegruppe zehn Gleise weiter sicherzustellen. Nach der planmäßigen Abfahrt in Hamburg wurde zunächst die dänische Grenze passiert, bevor der Zug an einem dänischen Nahverkehrshalt einen außerplanmäßigen Halt einlegte. Nachdem eine gefühlte Ewigkeit später alle Fahrgäste auch noch aufgefordert wurden, den Zug zu verlassen und sich auf den Bahnsteig zu begeben, schwante manchem schon Ungemach.

Kurze Zeit später wurden die Befürchtungen bestätigt. Ende der Zugfahrt aufgrund eines Lokschadens. Erste Bedenken wegen des engen Zeitplans kamen auf. Wie die meisten anderen Reisenden wurde schließlich in den nachfolgenden Zug umgestiegen, bei welchem es sich jedoch um einen dänischen Nahverkehrszug handelte und für den logischerweise die Platzreservierungen hinfällig waren. Einziger Lichtblick: Der Zug sollte bis Aalborg durchfahren. Durch den Lokschaden sowie den Umstieg in einen Nahverkehrszug war der ohnehin relativ knappe Zeitplan bereits erheblich eingeschränkt. Geplante Ankunft in Aalborg war jetzt gegen 17 Uhr, knapp zwei Stunden vor Spielbeginn. Bedingt durch den auch in Dänemark am Freitagabend erhöhten Feierabendverkehr waren die letzten eineinhalb Stunden Stehplatz mit Fangepäck im Zug entsprechend kurzweilig.

Ohne weitere Zwischenfälle erfolgte gegen 17 Uhr, rund zwei Stunden vor Spielbeginn, die Ankunft im Bahnhof Aalborg. Dort ausgestiegen erwartete die Reisegruppe neben knöcheltiefem Schnee doch tatsächlich sage und schreibe ein Taxi für 14 Personen. Die noch im Zug getätigte Raum-/Zeitberechnung war dadurch schon wieder in Frage gestellt. Lagen doch sowohl die gebuchte Jugendherberge als auch die Halle stadtauswärts, jedoch in entgegengesetzter Richtung.

Das Taxi wurde unmittelbar gefüllt, beauftragt, schnellstmöglich weitere Kollegen herbei zu beordern und an der Jugendherberge aufgehalten, bis die Ersten innerhalb von knapp 30 Minuten die Zimmer bezogen hatten und frisch geduscht wieder aufsaßen und zur Halle fuhren. Nachdem diese etwa 40 Minuten vor Spielbeginn erreicht und an der Kasse die hinterlegten Tickets in Empfang genommen waren, wurde in der Halle erst einmal kollektiv durchgeatmet. Der vermeintlich entspannte Teil der Reise konnte beginnen. Gemeinsam mit den anderen angereisten FRISCH AUF!-Fans wurde der Gästeblock in Beschlag genommen und Banner und Schwenkfahnen in Position gebracht. Auch die Trommel hat es rechtzeitig in die Halle geschafft und ihr Besitzer war in der Lage, sie zu bespielen.

Kurz zum Spiel: Die Halle in Aalborg ist vielleicht am ehesten vergleichbar mit der Messehalle in Kassel und bietet daher keine guten Voraussetzungen für den Support. Dank der insgesamt nur etwa 1.500 Zuschauer entwickelte sich jedoch kein Hexenkessel und das Gigantium war von Anfang bis Ende fest in Göppinger Hand. Reiste man nach dem 39:30-Erfolg aus dem Hinspiel in Göppingen verbunden mit dem Neun-Tore-Vorsprung einigermaßen entspannt und optimistisch nach Aalborg, wurde man gleich mit dem Anpfiff eines Besseren belehrt. Nach einem 0:5-Start aus Göppinger Sicht dauerte es acht lange Minuten, bis der erste Treffer bejubelt werden konnte. Beim Halbzeitstand von 15:8 für Aalborg war der Vorsprung aus dem Hinspiel bis auf zwei Tore geschrumpft und das Zittern und Bangen begann im Gästeblock.

Bis sieben Minuten vor dem Ende führten die Dänen mit sieben Toren und die Anspannung war beinahe nicht mehr auszuhalten. Letztendlich erkämpfte sich unser Team jedoch eine 30:26- Niederlage und konnte dank des Erfolgs aus dem Hinspiel gemeinsam mit den mitgereisten Fans den Einzug ins Viertelfinale des EHF-Pokals feiern. Nachdem zunächst noch in der Halle auf den Rängen und auf dem Spielfeld der Viertelfinaleinzug entsprechend gefeiert wurde, sollten die Feierlichkeiten umgehend ins so viel beschworene Nachtleben von Aalborg verlegt werden. Wer nach dem Handicap bei der Anreise gedacht hatte, damit wäre der Höhepunkt erreicht, machte nach dem Spiel vor der Halle eine neue Erfahrung.

Dichtes Schneetreiben hatte sich inzwischen eingefunden und der Schnee lag teilweise kniehoch neben den nur spärlich geräumten Fahrbahnen. Das einzige Taxi vor der Halle kam nach Abtransport der ersten fünf FA-Fans, vermutlich aufgrund der Witterung, nicht mehr zurück. Ein durch einen FA-Fan vor Ort angemieteter Mietwagen kam für eine zweite Fahrt zur Abholung weiterer Göppinger aufgrund seiner Sommerbereifung (!) nicht in Frage. Mehrere angeforderte Taxen kamen an der Halle nicht an. Eine längere Wartezeit im Vorraum der Halle für rund zehn noch verbliebene Göppinger war die Folge.

Unsere Mannschaft, inzwischen geduscht und umgezogen, hatten wir mittlerweile ebenso verabschiedet wie die heimischen Mitarbeiter, welche in der Halle noch den Boden aufgerollt hatten. Die Verpflegungsstände hatten zum Leidwesen der Gestrandeten längst geschlossen. Zu Fuß in Turnschuhen durch den Schnee stapfend machten wir uns schließlich völlig ortsunkundig auf den Weg. Ein paar hundert Meter weiter konnte dann glücklicherweise ein vorbeifahrender Linienbus auf freier Strecke angehalten werden und so gelangten wir über Umwege und weit nach Mitternacht zum eigentlichen Treffpunkt in der Stadt in einem Schnellrestaurant. Dort angekommen konnte gerade noch die oben genannte Taxibesatzung verabschiedet werden, welche sich aufgrund der unvorhergesehen langen Wartezeit auf direktem Weg ins Bett begab. Der Rest wollte sich von den ganzen ungeplanten Unannehmlichkeiten jetzt jedoch erst Recht nicht aufhalten lassen und machte sich auf direktem Weg zur im Vorfeld viel zitierten längsten Theke Dänemarks. Dort angekommen reihte sich tatsächlich Lokal an Lokal und alle waren durchaus gut besucht. Der knappen Bekleidung nach schienen die äußeren Bedingungen die dänische Frauenwelt nicht zu interessieren. Die skandinavischen Bierpreise hielten den Göppinger Anhang in dieser Nacht auch nicht mehr auf, und es wurde der, trotz Niederlage, erreichte Viertelfinaleinzug noch ausgelassen gefeiert.

Zufällig suchten wir die Lokalität auf, in welcher sich auch fast die komplette FA-Mannschaft aufhielt und erlebten so gemeinsam noch einen erfreulichen Ausklang und konnten die eine oder andere Anekdote der Reise erzählen. Die Rückreise per Zug verlief planmäßig und ohne nennenswerte Zwischenfälle. Der Verfasser muss allerdings anmerken, dass er und ein weiterer Begleiter die Rückreise per Flugzeug über Kopenhagen nach Stuttgart bestritten hat. Wie sich am Flughafen herausstellte, mit derselben Verbindung wie der FA-Tross, und welche aufgrund der Witterung eine der wenigen war, die an diesem Tag überhaupt in Aalborg startete.

Thomas Schwegler